Wie ist das eigentlich mit der sexuellen Intimität, wenn es dabei nicht zum Einswerden kommt? Bei mir ist folgende sich mit dieser Frage sich beschäftigende Mail in meiner Inbox gelandet und mit Erlaubnis des Verfassers gebe ich sie und meinen Versuch, eine Antwort zu formulieren, hier leicht adaptiert wieder:

Lieber Pater George,

ich habe dein Buch vor kurzem fertig gelesen und bin sehr beeindruckt. Viele Dinge, die du geschrieben hast, haben mich das Thema von einer anderen, schöneren Sichtweise sehen lassen.

Dennoch ist für mich eine Frage offen geblieben. Was sagt unser katholischer Glaube zu anderen sexuellen Intimitäten, welche nicht den Geschlechtsverkehr, das Eins-Werden, beinhalten? Und dürfen diese dann evtl. auch außerhalb der Ehe praktiziert werden? Orale Befriedigung zum Beispiel…natürlich gehe ich bei dieser Frage von einer positiven Herzenshaltung aus, das soll heißen: wenn ich meinen Partner jetzt oral befriedige, tue ich das nicht aus egoistischen Gründen, sondern ich möchte ihm diese Befriedigung schenken, ohne dabei an mich zu denken, etwas zurück zu verlangen etc.

Zwar ist immer wieder die Rede von „sexuelle Intimität gehört in eine Gemeinschaft“, sprich Ehe, aber was unter sexueller Intimität verstanden wird, könnte jeder unter Umständen für sich selbst und individuell interpretieren. Wobei ich denke, dass ich dann entweder was überlesen bzw. nicht ganz mitbekommen habe, da ich nicht denke, dass sich die Kirche, Theologie des Leibes dazu nicht äußert – oder unter sexueller Intimität wird JEDE Art von Intimität verstanden und nicht nur Sex?!

 

Liebe(r) XX

Endlich komme ich dazu, eine Antwort zu versuchen. Ich hoffe, ich habe Dich richtig verstanden. Also, es geht um die Fragen 1. Ob Formen der „sexuellen Intimität“, die nicht das Einswerden beinhalten, moralisch vertretbar sind und 2. Was mit dem Begriff „sexuelle Intimität“ aus katholischer Sicht gemeint ist.

Dazu folgende Gedanken:

1. Im Körper des Mannes und im Körper der Frau verbirgt sich ein tieferer Sinn, eine Sprache, die es zu verstehen gilt. Die Sexualorgane haben dementsprechend einen ganz spezifischen Sinn, genauso wie ich einen Sinn in meinem Auge oder in meinem Ohr vorfinden kann (das Auge ist zum Sehen da, das Ohr zum Hören). Dieser „Sinn“ der Sexualorgane hat zwei Aspekte:

  • Die Einheit und Vereinigung der beiden, die wirkliche gegenseitige Hingabe.
  • Die Möglichkeit, Vater/Mutter zu werden, die Frucht der gegenseitige Liebe in den Kindern zu finden.

In dem Moment, wo ich diese beiden Bedeutungen der Ausübung der Sexualität trenne, habe ich ein Problem. Warum? Erstens, weil die gegenseitige Hingabe die Ganzannahme des anderen beinhaltet, inklusive seiner/ihrer möglichen Fruchtbarkeit. Wenn es mir nur um den gemeinsamen „Sex“ geht, dann benutze ich den anderen für etwas, das ich jetzt will,, nämlich meine Befriedigung, aber ihn (zumindest in diesem Moment) nicht in seiner Ganzheit (möglicher Vater/Mutter meiner Kinder) annehme. Wenn es mir andererseits nur um die „Fruchtbarkeit“ geht, benutze ich den anderen ebenfalls, nämlich dann, wenn Fruchtbarkeit nicht Frucht der gegenseitigen Liebe ist. Dann es geht mir ja eben nicht um ihn/sie, sondern um wieder nur um etwas, das ich haben will: Kinder.

Übrigens, dass zB. die Frau den Mann aus altruistischen und selbstlosen Gründen oral befriedigt, mag schon sein, es stellt sich nur die Frage, ob das auch für den Mann so ist. Wenn es nämlich NUR um Oralsex geht, der NICHT im Einswerden mündet, dann geht es eben um das, was du selbst gesagt hast, um „Befriedigung“, aber nicht um Liebe: Ich brauche dich, damit ich befriedigt werde. Eine Frau sollte ihre eigene Würde und Wertigkeit höher einschätzen, als lediglich Objekt der Befriedigung für den Mann zu sein. Für eine Frau kann übrigens so eine Form von „Sex“ genauso ein bequemer „Ausweg“ sein. Den Partner zu befriedigen, erfordert keinerlei Selbsthingabe. Was gebe ich denn dem anderen beim Oralsex? Was drückt da meine Körpersprache aus? Sicherlich nicht: das ist jetzt bis der Tod uns scheidet. Sicherlich auch nicht: ich will, dass du Vater/Mutter meiner Kinder wirst, dass wir unser Leben teilen, dass wir nur noch einen gemeinsamen Weg gehen. Im Grunde genommen unterscheidet das sich nicht von Selbstbefriedigung. Und das ist einfach Gift für eine Beziehung. Wenn in diesem intimsten aller Bereiche der Beziehung Egoismus zum Ausdruck kommt, wie wird sich das mittel-oder langfristig auf die ganze Beziehung auswirken?

2. Der Punkt ist, dieser zweifache Sinn der Sexualität ist mehr als eine beliebige Theorie oder Meinung. Hier gibt es zwei radikal unterschiedliche Ansätze. Der eine Ansatz besagt, Sex ist wie eine Ampel. Grün heißt „geh“ und Rot heißt „Stopp“, weil wir Menschen das so bestimmt haben, aber das ist eine rein willkürliche Festlegung. Nach diesem Ansatz würde Sexualität ebenso wenig in sich selbst einen Sinn haben wie Grün lediglich aufgrund des Grünseins „Weg frei“ bedeutet. Nach diesem Ansatz kannst du einfach beliebig bestimmen, welche Bedeutung Sexualität haben soll. Der Ansatz des Glaubens ist hingegen ganz anders. Er besagt: Sexualität ist eher wie die Naturgesetze. Diese werden ja vom Wissenschaftler nicht erfunden, sondern vorgefunden. Es gibt etwas, das der Wissenschaftler findet, entdeckt, das in der Natur der Sache schon drin war…er hat es nur erklärt, gelichtet. Um es salopp zu sagen: das Gravitationsgesetz steht nicht mit großen Buchstaben auf dem fallenden Apfel, aber es gilt trotzdem. Der Sinn der Sexualorgane steht nicht mit großen Buchstaben auf den intimen Körperteilen eines Mannes oder einer Frau. Das heißt aber nicht, dass es diesen Sinn nicht gibt. Übrigens, den vollen Sinn der Sexualorgane kann der Mann nur durch die Frau entdecken…und andersherum. Weil es Frauen gibt, beginnt der Mann zu verstehen, dass er nicht für sich selbst geschaffen ist. Weil es Männer gibt, beginnt die Frau, dasselbe zu verstehen. Mann und Frau entdecken gerade in ihrer eigenen spezifischen Sexualität ihre Berufung zur Liebe, wo das Wort „Liebe“ einen Inhalt hat: uneigennützige, treue, freie, fruchtbare Liebe.

3. Der Punkt der Kirche ist, dass die Ausübung von Sexualität NUR in die Ehe hineingehört und zwar als Ausdruck der gegenseitigen Liebe und Hingabe und nicht einfach in jeglicher Form…wie oben schon erwähnt. Selbstbefriedigung (auch gegenseitig) ist sowohl innerhalb als auch außerhalb der Ehe nicht richtig. Oralsex, der nicht in der Hingabe des Einswerdens mündet, ist auch in der Ehe daneben.

4. Ob mit sexueller Intimität jegliche Form der Intimität gemeint ist????? ich hoffe nicht 🙂 Es wäre sehr schade, wenn jemand nicht mehr in der Lage wäre, Nähe, Zuneigung, Liebe, Wertschätzung, Zärtlichkeit zu zeigen, ohne sofort sexuell erregt zu werden.

So, das wären einmal ein paar Ideen. Aber wir können auch gerne mal bei Gelegenheit darüber reden, wenn du willst,

God bless! P. George

Übrigens. Wenn du mehr zum Thema wissen willst. Hier unser Blog: www.theologiedesleibes.at, die Facebook Gruppe, die 1. YOUTUBE Serie, die 2. YOUTUBE Serie, das Buch God, Sex & Soul, Twitter. Für praktische Hilfen für Paare: www.liebeleben.com.  Für weitere Vertiefung in der Theologie des Leibes: www.visionliebe.com und der Studiengang zu Theologie des Leibes.

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