Schon interessant. Nur wir Menschen betrinken uns, schreiben Musik und schicken Leute auf den Mond. Das macht kein Stein und kein Hund. Immer noch steht man stundenlang Schlange, um bei den Rolling Stones mitzurocken. Die lange Fahrt ist eben nicht zu lang, um die jüngsten Exponate bei der Biennale in Venedig betrachten zu können. Beim Paris-Barca-Spiel fasste das Stadion 60.000 Zuschauer, mehr als eine Million aber wollten Karten. Der deutschen Wirtschaft sagt man nach, dass sie jedes Jahr zwischen einer und vier Milliarden EUR wegen Burnout verliert – kommt drauf an, welche Studie man liest – und nicht selten steigern sich Menschen durch den Leistungsdrang selbst hinein. Warum sind wir Menschen so? Warum ist alles, was uns ein „pimp up your life“ („Motz dein Leben auf“) verspricht, so attraktiv? Warum Marihuana, warum Komasaufen? Was treibt uns den K2 mit einem Snowboard ausgestattet hinauf und die Niagara Fälle in einem Bierfass angeschnallt wieder hinunter? Kommt es nicht von ungefähr, dass die Musik, die die NASA als Botschaft dem Universum auf Voyager 1 & 2 mitgegeben hat, der fünfte Satz aus Beethovens 13. Streichquartett, Opus 130, gewesen ist, auf dessen Notenblätter Beethoven selbst das Wort „Sehnsucht“ geschrieben hat?1 Katzen hingegen wird man nur dann im All antreffen, wenn Menschen sie dort hinaufschießen. Grizzlybären fressen Heuschrecken und Lachse, aber nicht so viele, dass sie krank umfallen.

Sehnsucht. Ein schmerzliches Verlangen nach etwas Entferntem, Entbehrtem. So definiert sie der Duden. Sehnsucht, aber wonach? Wohin will die Sehnsucht uns bringen? Warum wird sie nie erfüllt? Oder vielleicht doch? Und wenn ja, wie?

Stiere, Moskitos und Bären stillen Grundbedürfnisse. Menschen scheinen ständig über die Grenze der Grundbedürfnisse hinauszuschießen. Nach was sehnt sich der Mensch eigentlich? Ist seine Sehnsucht nur eine Utopie, ein Unfall der Natur, die sadistische Idee eines Demiurgen?

Vor kurzem las ich einen Satz, den manche Ingrid Bergmann, andere Ernest Hemingway zugeschrieben haben: „Glück bedeutet eine gute Gesundheit und ein schlechtes Gedächtnis.“ Ich musste an ein anderes Zitat von einem alten griechischen Philosophen, Epikur von Samos, denken: „Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinem Reichtum hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen.“ Mit anderen Worten: Erhoffe dir nicht zu viel vom Leben, sonst wirst du enttäuscht werden. Schraube deine Sehnsucht zurück, sonst wirst du verletzt. Aber, kann das stimmen? Ist es nur eine gute Gesundheit, die wir uns erhoffen können? Ist jeder Versuch, Sehnsucht nach Höherem zu stillen, doch nur ein „Löcherstopfen“, ein von Vornherein zum Scheitern verurteiltes Unternehmen?

Sehnsucht. Es geht hier um eine Sehnsucht, die jeder von uns in seinem Innersten spürt. Kleinkinder suchen sie, wenn sie der Mutter in die Augen sehen, Jugendliche lässt sie Höhen und Tiefen durchmachen, diese Sehnsucht. Sie ist tief in uns verankert, sozusagen ein Grundstein in unserem Bauplan. Platon nannte diese Sehnsucht Eros, das Verlangen nach allem, was wahr, gut und schön ist. Schon zur Zeit Platons hatte Eros mit sexuellem Verlangen zu tun, aber eben nicht nur. Heute wird Eros vor allem damit in Verbindung gebracht. Aber, dass sexuelles Verlangen auch mit Platons Eros zu tun hat, war vielleicht eine von Sigmund Freuds genialsten Intuitionen.

 

P. George Elsbett LC / Dieser Beitrag ist der erste einer neuen Serie von Beiträgen zum Thema „Theologie des Leibes“. Die Beiträge entstammen seinem Buch, „God, Sex & Soul“ / Bild mit Erlaubnis von Kurosch Borhanian

Pater Lic. George Elsbett LC (geb. 1972 in London) ist Hausoberer der Niederlassung der Legionäre Christi in Wien und Regionalkoordinator des Regnum Christi in Österreich. Er ist in Kanada aufgewachsen, trat 1993 in das Noviziat ein und studierte Philosophie und Theologie in Rom. 2003 empfing er die Priesterweihe und wirkt seither in Österreich, wo er sich auf Theologie des Leibes, Ehe- und Berufungspastoral spezialisiert hat.