„Eine der größten Freiheiten ist die Freiheit von Angst“ – Franklin D. Roosevelt. Wenigstens meinte sich Mikhail Gorbachev letzte Woche in seinem Appell an die Welt an dieses Zitat des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt zu erinnern. Vor allem blickte er auf Donald Trump und Wladimir Putin, ihnen obliege eine gigantische Verantwortung. Es sei Zeit zu handeln, denn „es sieht ganz so aus, als bereite sich die Welt für den Krieg vor“. – „Politiker und militärische Leiter hören sich zunehmend kriegslustiger und Verteidigungsdoktrinen gefährlicher an.“
Und ja, Angst vor dem und Sorge um das Weltgeschehen werden wahrscheinlich zurzeit einige spüren, die viel mit Menschen zu tun haben. Gorbachev sieht natürlich zuallererst eine politische Lösung. Deswegen lautet ja sein Appell: Nehmt die Sorgen um den Weltfrieden – und die Menschen würden weniger Angst haben, und das, um mit Roosevelt zu denken, mache Menschen freier. Und darum geht es ja. Oder?Ich würde einen Schritt weitergehen. Am 12. Jänner schrieb Adam Tooze in Die Zeit, „… damit muss sich die Welt nun auseinandersetzen: mit einer dominanten Supermacht – weiterhin die mit Abstand dominanteste in der Geschichte der Menschheit –, die den Anschein erweckt, die Last der moralischen Führung abwerfen zu wollen.“ Gut. Einige Elemente der von Tooze erwähnten „moralischen Führung“ würde ich alles andere als „moralisch“ beschreiben – und er eigentlich auch. Was ich aber sehr wohl als bedenklich einstufe, ist, dass Argumentation und Rhetorik zunehmend – egal, auf welcher Seite des politischen Spektrums einer steht – nicht einmal versuchen, sich auf moralische Werte zu stützen, egal, ob richtig oder falsch.

Freiheit hat mit Wahrheit zu tun. Denn die Freiheit setzt voraus, dass es einen objektiven Wert gibt, der außerhalb des Umkreises der eigenen Juckreize steht, der mich zur Entscheidung herausfordert und an dem ich mich zu messen habe – und nicht, dass sich der Wert an meinem Gutdünken oder Egoismus oder Gefühlen oder was auch immer zu messen hat. Wenn dem nicht so wäre, dann würde jede Entscheidung überhaupt keine sein, sondern nur die Folge von Instinkt und Trieben. Im Namen der Freiheit stecken viele Menschen in Süchten, egal ob Alkohol oder Lügen oder üble Nachrede oder Pornografie. Willkür befreit nicht, sondern versklavt. Natürlich ist ein Mensch freier, wenn er nicht von Angst getrieben ist. Und natürlich hat die Politik da eine Rolle zu spielen. Aber wenn der Bürger und der Politiker nicht mehr die Frage nach der Wahrheit stellen, dann gibt es bald nicht nur keine Freiheit von Angst mehr, sondern dann ist eine ganze Serie an Freiheiten in Gefahr, ja die Freiheit selbst. Aber es gibt mehr.

Angst kann Freiheit bedingen, aber Freiheit bedingt auch Angst. Ich muss da an eine Szene in der Apostelgeschichte denken. Paulus und Silas sitzen in Philippi, dem damaligen Mazedonien, im „inneren Gefängnis“ fest. Ihre Füße sind in einem Block gesichert, davor hat man ihnen die Kleider vom Leib gerissen und sie ausgepeitscht. Es ist stockfinster. Sie wissen nicht, ob sie am nächsten Tag noch leben werden. Und was tun sie? „Um Mitternacht beteten Paulus und Silas und sangen Loblieder; und die Gefangenen hörten ihnen zu.“ (Apg 16,25) Lobpreis? Wie bitte? Ja, sie singen… Innere Freiheit hoch 20. Vielleicht steckt gerade hier eine Lektion über die Rolle von Christen in der Welt von heute. Vielleicht ist es auch nicht ohne Grund, dass Papst Franziskus bei der jüngsten Mittwochsaudienz die Hoffnung so betonte. Das Vertrauen auf Gott lässt uns daran erinnern, dass wir in den Händen eines allmächtigen Gottes sind, dessen Name Barmherzigkeit und Liebe ist. Die christliche Hoffnung befreit ungemein. Weil sie weiß, „mein Erlöser lebt“ (Ijob 19,25). Bei der christlichen Hoffnung geht es nicht um ein Zugehen auf etwas, das vielleicht geschehen wird, oder eben vielleicht auch nicht. Die christliche Hoffnung ist in der Auferstehung des Herrn gegründet, in ihm selbst, der lebt und mein Leben ist, in einer Wirklichkeit, der tiefsten Wirklichkeit überhaupt: „Die Hoffnung besteht in der Sicherheit, dass ich auf einen Weg bin zu etwas, das ist, nicht auf etwas hin, das ich will, dass es sei“, so der Papst am Mittwoch. Es ist diese innere Freiheit, die vom Herrn kommt, die uns von der Angst befreit und uns auch in schwierigen und herausfordernden Zeiten klar denken, leben und uns für das Wohl unserer Mitmenschen einbringen lässt. Aber diese Freiheit ist nur gewährleistet durch den Blick auf die Wahrheit, für die Wirklichkeit und das moralisch Gute – letztlich auf denjenigen, der von sich selbst behauptete, die Wahrheit und der Weg und das Leben zu sein.

Diesen Blick wach zu halten, sodass die Welt frei werde und von den tiefsten Ängsten befreit werden kann, darin besteht der dringliche Auftrag des Christen heute.

Gottes Segen! P. George

PS Zum Thema „Umgang mit Angst“ durfte ich einmal ein Referat halten, das man hier nachhören kann:

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